{"id":139,"date":"2023-04-11T08:23:56","date_gmt":"2023-04-11T06:23:56","guid":{"rendered":"https:\/\/oeai.eu\/?p=139"},"modified":"2023-04-11T20:38:25","modified_gmt":"2023-04-11T18:38:25","slug":"aufruf","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/oeai.eu\/aufruf\/","title":{"rendered":"Aufruf"},"content":{"rendered":"\n

K\u00fcnstliche Intelligenz (KI), Offenheit und P\u00e4dagogik<\/h2>\n\n\n\n

Eine Einladung zum gemeinsamen Weiterdenken von Nele Hirsch (eBildungslabor), Regina Schulz, Britta K\u00f6lling, Maria Klar, Leena Simon (muendigkeit.digital), Kirsten Scholle, Michael T\u00f6pel (Zukunft Lernen gGmbH)<\/strong> und Uwe Kranz.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Das Thema KI besch\u00e4ftigt aktuell viele P\u00e4dagog*innen und Gestalter*innen von Bildung. Angesto\u00dfen wurde diese Diskussion insbesondere durch die Ver\u00f6ffentlichung des Chatbots ChatGPT im November 2022. Der haupts\u00e4chliche Grund f\u00fcr das gro\u00dfe Interesse ist, dass traditionelles Lehren und Lernen, das auf der Vermittlung von Inhalten und deren \u00dcberpr\u00fcfung durch Reproduktion basiert, angesichts dieser neuen technologischen M\u00f6glichkeiten kaum noch praktikabel scheint. Wir begr\u00fc\u00dfen es sehr, dass auf diese Weise in der p\u00e4dagogischen Debatte vieles in Bewegung ger\u00e4t und KI als ein willkommener Lernkultur-Ver\u00e4nderungsimpuls wirkt. Doch die Intransparenz und Geschlossenheit von propriet\u00e4ren KI-Tools stehen unserem Leitbild einer offenen und demokratischen Gestaltung von Bildung entgegen. Wir rufen deshalb dazu auf, auf der Basis von Offenheit gemeinsam nach Alternativen f\u00fcr propriet\u00e4re KI-Tools in der P\u00e4dagogik zu suchen. Wir haben noch keine fertigen L\u00f6sungen, sondern laden alle Interessierten dazu ein, sich uns bei der Entwicklung von Fragen und Antworten anzuschlie\u00dfen. Wir sind nicht der Auffassung, dass Offenheit alle Probleme rund um KI l\u00f6st. Ohne Offenheit bei der Entwicklung von KI-Tools entbehrt eine offene und demokratische Gestaltung von Bildung allerdings jeglicher Grundlage.<\/p>\n\n\n\n

1. Warum ist Offenheit grundlegend f\u00fcr KI in der P\u00e4dagogik?<\/h2>\n\n\n\n

Wir halten Offenheit aus mehreren Gr\u00fcnden f\u00fcr grundlegend bei der Entwicklung und Nutzung von KI in der P\u00e4dagogik.<\/p>\n\n\n\n

1.1 Bildung ist eine \u00f6ffentliche Aufgabe. Es muss demokratisch entwickelt und entschieden werden, was in \u00f6ffentlichen Bildungseinrichtungen wie Schulen, Fachhochschulen und Universit\u00e4ten gelehrt und gelernt wird. Da eine KI trainiert wird, l\u00e4sst sich nicht vorab festlegen, was am Ende als Ergebnis angezeigt wird.  Bei propriet\u00e4ren KI-Tools sind allerdings weder Datenbasis noch verwendete Filtermechanismen transparent. Somit ist nicht demokratisch gestaltbar, welche Inhalte bei der Nutzung von KI-Tools auf welche Weise angezeigt werden und was ausgeblendet wird.<\/p>\n\n\n\n

1.2 Das Ziel von Bildung ist gesellschaftliche Handlungsf\u00e4higkeit. Bildung unter den Bedingungen der Digitalit\u00e4t hei\u00dft in diesem Sinne auch, dass eine aktive Gestaltung von Technologien und ihrer Anwendung erlernt werden muss. Durch die Geschlossenheit propriet\u00e4rer KI-Tools wird dieser Anspruch negiert. Lehrkr\u00e4fte und Lernende haben keine M\u00f6glichkeiten zur Gestaltung dieser. <\/p>\n\n\n\n

1.3 Gute und damit nachhaltige und demokratische Bildung zielt auf digitale M\u00fcndigkeit. Es muss eine selbstbestimmte und verantwortliche Entscheidung getroffen werden k\u00f6nnen, ob und wie eine Technologie genutzt wird. Angesichts fehlender Alternativen zu propriet\u00e4ren KI-Tools ist solch eine Entscheidung nicht m\u00f6glich. Zu einer m\u00fcndigen Entscheidung geh\u00f6rt auch, dass pers\u00f6nliche Daten gesch\u00fctzt werden k\u00f6nnen. Auch das ist bei den vorherrschenden propriet\u00e4ren Tools nicht gegeben.<\/p>\n\n\n\n

1.4 In einer immer komplexeren Welt steht Bildung vor gro\u00dfen Herausforderungen. N\u00f6tig ist insbesondere Kompetenzentwicklung zu kritischem und kontextuellem Denken. Um diese Herausforderung auch mithilfe von KI angehen zu k\u00f6nnen, muss KI-Entwicklung dezidiert mit einem p\u00e4dagogischen Fokus erfolgen. Da propriet\u00e4re KI-Tools nicht offen entwickelt werden, gibt es nur die Option, das einzusetzen, was angeboten wird. Es fehlt somit an einer p\u00e4dagogischen Debatte dar\u00fcber, welche Funktionen eine \u201aLern-KI\u2018 optimalerweise bieten m\u00fcsste. Derzeit wird die Gestaltung von KI-Tools Anbietern von Software ohne p\u00e4dagogisches und didaktisches Fundament \u00fcberlassen.<\/p>\n\n\n\n

1.5 Alle Menschen m\u00fcssen die M\u00f6glichkeit zur Teilhabe an Bildung haben. Derzeitige KI-Systeme bieten noch einen niederschwelligen Zugang und f\u00fcr alle Benutzer*innen (fast) gleichwertige Funktionen. Im Zuge zuk\u00fcnftig wachsender Monetarisierung der Angebote steht allerdings infrage, inwieweit hier echte Bildungsgerechtigkeit gew\u00e4hrleistet werden kann. Das \u00f6ffentliche Bildungssystem darf sich auch vor diesem Hintergrund nicht von Anbieter*innen propriet\u00e4rer KI-Tools abh\u00e4ngig machen.<\/p>\n\n\n\n

2. Wie l\u00e4sst sich Offenheit f\u00fcr KI in der P\u00e4dagogik realisieren? <\/h2>\n\n\n\n

Wir sehen mehrere Ansatzpunkte, wie sich KI mit Offenheit f\u00fcr die Bildung realisieren l\u00e4sst.<\/p>\n\n\n\n

2.1 Unerl\u00e4sslich ist f\u00fcr uns die Entwicklung, F\u00f6rderung und Verbreitung von Open Source-KI. Nur so kann demokratische Gestaltung und Nutzung erm\u00f6glicht werden. Erste vielversprechende Ans\u00e4tze f\u00fcr eine Open-Source-KI zeigen beispielsweise Modelle wie Alpaca von der Stanford Universit\u00e4t. Es ist allerdings zu beachten, dass solche Open-Source-Projekte ohne massive \u00f6ffentliche F\u00f6rderung immer deutlich hinter propriet\u00e4ren KI-Tools zur\u00fcckbleiben werden. N\u00f6tig ist deshalb eine konsequente Umsetzung des Grundsatzes \u201aPublic Money \u2013 Public Code\u2018 auf Ebene der EU.<\/p>\n\n\n\n

2.2 Die Entwicklung von KI-Tools f\u00fcr die Bildung ist nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine p\u00e4dagogische Aufgabe. Wir setzen uns deshalb f\u00fcr interdisziplin\u00e4re R\u00e4ume ein, in denen KI-Tools ko-kreativ an der Schnittstelle von P\u00e4dagogik und Informatik entwickelt und reflektiert werden. Dazu geh\u00f6rt beispielsweise Forschung und Entwicklung zu intelligenten Lernassistenten, die Open Source sind und lokal auf Endger\u00e4ten laufen k\u00f6nnen. Dies k\u00f6nnte eine M\u00f6glichkeit darstellen, dass Lernende von Lernunterst\u00fctzung wie Feedback und Adaptivit\u00e4t profitieren und gleichzeitig die Hoheit \u00fcber ihre Daten erhalten.<\/p>\n\n\n\n

Ein weiterer Bereich w\u00e4re die Entwicklung p\u00e4dagogisch-didaktischer Datensets. Diese Datensets k\u00f6nnen zum transparenten Training von p\u00e4dagogischen KI-Tools eingesetzt werden. Eine Vielfalt an Datensets erm\u00f6glicht eine Vielfalt an p\u00e4dagogischen Modellen, die beispielsweise konstruktivistischen Lehr- und Lernans\u00e4tzen folgen. Die Einbindung in ein p\u00e4dagogisch genutztes KI-System k\u00f6nnte f\u00fcr Datengeber*innen wie Bibliotheken, Archive, Sammlungen, usw. geeignete Anreize schaffen, um ihre Angebote im Sinne eines \u00f6ffentlichen Bildungsauftrags offen, digital und breitenwirksam zur Verf\u00fcgung zu stellen.  <\/p>\n\n\n\n

Entscheidend bei dieser ko-kreativen Gestaltung ist au\u00dferdem, das Interface der Tools in den Blick zu nehmen, sodass insbesondere inklusive Lernprozesse erm\u00f6glicht werden. <\/p>\n\n\n\n

2.3 Offenheit bei der KI-Entwicklung bedeutet ebenfalls, Lehren und Lernen nicht als von der Gesellschaft separierte R\u00e4ume zu verstehen, sondern ethische Dimensionen mit zu reflektieren. Eine ressourcenintensive KI, deren Training auf Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft insbesondere von Menschen im globalen S\u00fcden basiert, l\u00e4sst sich mit einem aufkl\u00e4rerischen Bildungssystem, das auch nachhaltige Entwicklung als Bildungsziel f\u00f6rdert, nicht in Einklang bringen. Im Rahmen einer offenen Entwicklung w\u00e4re aber Raum, um genau solche Herausforderungen zu reflektieren und Alternativen zu entwickeln.<\/p>\n\n\n\n

2.4 Demokratische Entscheidungsprozesse erfordern Transparenz, um sicherzustellen, dass alle beteiligten Akteur*innen fair und gerecht beteiligt werden. Im Gegensatz dazu kann die Intransparenz von KI aufgrund ihrer Komplexit\u00e4t und der Verwendung von geschlossenen Datens\u00e4tzen, intransparenten Algorithmen und Machine Learning-Prozessen die M\u00f6glichkeit von Diskriminierung verst\u00e4rken. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Auswirkungen von KI auf die Gesellschaft und Bildung ausreichend ber\u00fccksichtigt werden. In diesem Zusammenhang m\u00fcssen angemessene Ma\u00dfnahmen zur Gew\u00e4hrleistung der Transparenz von KI-Entscheidungen entwickelt und implementiert werden, um die demokratischen Werte und Prinzipien zu wahren.<\/p>\n\n\n\n

2.5 Wichtig ist f\u00fcr uns, dass die durch neu entwickelte offene KI-Werkzeuge eventuell freiwerdende Ressourcen im Bildungssystem verbleiben. Wir sehen diese m\u00f6gliche Dividende als eine Chance, um zu einer \u00fcberf\u00e4lligen, ver\u00e4nderten Lernkultur zu gelangen. Denn die von uns angestrebte Transformation von Bildung hin zu mehr Open Educational Practices (OEP) erfordert zahlreiche Ressourcen, die aktuell im Bildungssystem fehlen.<\/p>\n\n\n\n

2.6 Im Kontext von KI, Offenheit und P\u00e4dagogik sehen wir gro\u00dfe Potentiale zur Unterst\u00fctzung von Open Educational Resources (OER). Insbesondere k\u00f6nnten KI-Tools weiterentwickelt werden, die die Auffindbarkeit durch Metadaten verbessern oder den Remix durch Ver\u00f6ffentlichung von Inhalten in unterschiedlichen Formaten oder in unterschiedlichen Sprachen unterst\u00fctzen. Dieser Aspekt sollte in der OER-Strategie der Bundesregierung Ber\u00fccksichtigung finden.  <\/p>\n\n\n\n

2.7 Zu Offenheit im Kontext der KI-Debatte geh\u00f6rt f\u00fcr uns schlie\u00dflich auch dazu, dass der gr\u00fcndlich abgewogene Verzicht auf die Nutzung von KI-Tools in der Schule eine Option bleiben sollte, sofern sich grundlegende Probleme nicht aufl\u00f6sen lassen. Schule muss sich jedoch immer mit aktueller Realit\u00e4t auseinandersetzen, deshalb ist der ggf. ko-kreative, immer kritische Umgang mit KI Teil der in der Schule zu vermittelnden Kompetenzen.<\/p>\n\n\n\n

3. Was sind n\u00e4chste Schritte?<\/h2>\n\n\n\n

Mit diesem Aufruf m\u00f6chten wir Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen, die an der Entwicklung und Nutzung offener KI-Technologie f\u00fcr die P\u00e4dagogik Interesse haben, zu einer Vernetzung einladen. Gemeinsam k\u00f6nnen wir unsere Ideen konkretisieren, unsere Kr\u00e4fte b\u00fcndeln und mit konkreten Forderungen an politische Entscheidungstr\u00e4ger*innen herantreten.   <\/p>\n\n\n\n

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